Errichtung einer Ölmühle in Tansania

Hakuna Matata

… heißt soviel wie „alles in bester Ordnung“ auf Suaheli. Unter diesem Titel berichte ich über meine Erlebnisse und Erfahrungen bei der Errichtung einer Ölmühle in Tansania (Mpanda).


Im Jahr 2010 verschlug es mich insgesamt 2x nach Tansania, genauer genommen nach Mpanda, ca. 1.000 km westlich der Küstenstadt Dar es Salaam in 1.000 Meter Höhe. Über mehrere Jahre wurde in dieser Region in Kooperation mit ortsansässigen Bauern die ölhaltige Frucht Jatropha (oder auch Purgiernuss) angebaut.


Diese Frucht ist nicht zum Verzehr für Mensch und Tier geeignet, jedoch besonders gut als biogener Kraftstoff einsetzbar. Die Aufgabe bestand - vor fast 5 Jahren - nun darin, die gewonnene Saat ökologisch und effizient so zu verarbeiten, dass das gewonnene Öl direkt als Dieselersatz eingesetzt werden konnte.

Planung und Vorbereitung zum Aufbau der Ölmühle in Tansania

 

Step 1: Planung:

Zur Verfügung stand eine großzügig dimensionierte Halle, kein Trinkwasseranschluss, ein sehr bescheidener Stromanschluss, aber schnelles Internet war vorhanden.

Nach einigen Pressversuchen mit befreundeten visionären Ölmühlen konnten genug Erfahrungen im Umgang mit der Jatrophasaat gesammelt und die Pressen entsprechend dimensioniert und gekauft werden. Das „Drumherum“ habe ich in Eigenregie auch noch entworfen, so u.a. Stahlbau, Saatkonditionierung, Ölaufbereitung und Energieversorgung. Alles unter dem Aspekt „afrikanische Bedingungen“ – also einfache robuste und wartungsfreundliche Technik und Ausrüstung.

 

Step 2: Vorbereitung

Nach Bestellauslösung aller erforderlichen Teile wurden diese zentral in Itzehoe gesammelt und in einen gekauften großen Überseecontainer seemännisch verstaut. Natürlich darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass wir auf alle erdenklichen Herausforderungen gut gerüstet sein wollten und nahmen zusätzlich mit: 20 kg Wurst und Fleisch in Büchsen, 30 Tafeln Schokolade, Hartkekse, Kaffee samt Maschine, Trockenmilch, ein riesiger Karton Tütensuppe, 2 Kartons Bohnen- und Linsensuppe, sowie eine nicht unerhebliche Anzahl an Energieriegeln ….

Die Anlagentechnik wurde weitestgehend vorgefertigt, um eine schnelle Montage vor Ort zu ermöglichen.

So wurden z.B. Schaltschränke komplettiert, Verlängerungskabel gefertigt und allerlei Adapter für jede erdenkliche Anwendung gebaut. Zur stabilen Energieversorgung gelang es uns ein gutes Notstromaggregat der dt. Telekom günstig zu erwerben, dies sollte dann später mit Jatrophaöl betrieben werden. Die Dokumentation in der Landessprache Suaheli war nicht möglich, allerdings in Englisch, so dass unsere afrikanischen Kollegen die Anlage verstehen, bedienen und warten können.

 

Doch es kam anders, als ursprünglich geplant …

August 2010

Reise nach Tansania zum Aufbau der Ölmühle

 

Geplant waren 4 Wochen incl. einer Kurzsafari als wohlverdienter Abschluss – es kam anders! Aber der Reihe nach.

 

Nach umfassender Reisevorbereitung, u.a. Impfungen (auch gegen Tollwut), allerlei Lesen von Reiseberichten und Nachfragen bei unseren Itzehoher Kollegen der Tansaniaabteilung ging es ausgerüstet wie auf einer abenteuerlichen Expedition im August 2010 endlich los. Mit einigen erfahrenen Ölmüllerkollegen von Hannover über Istanbul nach Dar es Salaam. Hier trafen Welten aufeinander. Viele der mitreisenden Kollegen betraten erstmals afrikanischen Boden und die damit verbundene Mentalität. Auf der Taxifahrt ins Hotel wurden wir Zeuge von Dieseldiebstahl von im Stau stehenden LKW. Aufgefangen in einer löchrigen Kunststofftüte …

 

Erste Hiobsbotschaft: Der Container ist noch nicht in Tansania angekommen – soll aber in Kürze eintreffen… Also haben wir den Plan komplett umgeworfen und den Ausflug nach Sansibar und die anschließende Safari kurzerhand vorverlegt.

 

Zunächst ging es per „low budget“-Ausflug mit Übernachtung in eine kleine Pension nach Sansibar. Die Insel ist sehr interessant und lehrreich, insbesondere fernab der teuren Luxushotels. Ein Blick hinter die Kulissen und der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung zeigt die wahren Lebenskünste und Lebensbedingungen.

 

Zurück auf dem Festland haben wir einige Tage später die Kurzsafari angetreten. Nach einstündigem Flug mit einer kleinen Wackelmaschine auf einer Sandpiste mitten im Busch angekommen, konnten wir direkt die erste Safari im Jeep unternehmen, am nächsten Tag dann zu Fuß und nachmittags auf dem Fluss. Das war so bewegend, wenn sich die Gelegenheit ergibt, empfehle ich jedem dies unbedingt selbst einmal zu unternehmen.

WeiterReise nach Mpanda - ins Landesinnere von Tansania

Mit einer Woche „Verspätung“ und der Weiterreise ins Landesinnere, geprägt von unendlich viel Staub, Hitze, Tsetsefliegen und anderen Widrigkeiten sind wir nun in Mpanda angekommen. Nur der Container mit unserer Ausrüstung immer noch nicht! Immer wieder Vertröstungen seitens der Reederei.

 

Also haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und mit den vorhandenen - eher unbrauchbaren - Werkzeugen versucht, die 3 deutschen Traktoren (die vor vielen Jahren schon verschifft wurden) wieder gangbar zu machen. Auf Grund fehlender Ersatzteile nach dem Motto „aus 3 mach 2“. Da unter den Kollegen auch gelernte Landmaschinen- und Traktorenschlosser waren - der Rest mit viel Improvisationsgeschick aus den neuen Bundesländern - gelang es uns, mit tatkräftiger Unterstützung der afrikanischen Kollegen viele Großmaschinen und einige kleine Einachs-Schlepper wieder flott zu machen. Der Versuch den Vorgarten per Pflug umzubrechen misslang auf Grund des steinharten Bodens während der Trockenzeit kläglich.

 

So vergingen die Tage wie im Flug und die fixierte Abreise rückte näher. Obwohl wir viel Gutes getan haben, die Mitarbeiter vor Ort geschult, Jatrophaplantagen besucht und allerlei gesehen und weiterentwickelt haben, war doch etwas Wehmut da, denn wir haben ja leider keine Ölmühle aufgebaut.

 

Die Rückreise verlief genauso anstrengend wie die Hinreise. Für uns stand fest, wir müssen noch einmal hierher …

November 2010

erneuter Aufbruch nach Tansania zum Aufbau der Ölmühle

 

Nachdem der Container mit unserer Ausrüstung zwar 3x im Hafen Dar es Salaam angekommen war, jedoch nicht vom Schiff entladen wurde und deshalb quasi 1x um die Welt reiste, wurde er doch noch mit 12 Wochen Verspätung angeliefert. Die Entladung vor Ort war die nächste Herausforderung – einen Kran gab es nicht. Zum Glück wurde der örtliche Flughafen gerade erneuert und so konnte unsere dt. Tansaniaabteilung mit viel Überredungsgeschick Technik ausleihen und den schweren Container abladen.

 

Nachdem nun alle Materialien komplett angekommen waren, fuhren wir zum finalen Aufbau nur noch zu zweit (ein Servicetechniker Wind mit elektrischer Ausbildung und ich als gelernter Schlosser und Techniker Maschinenbau). Reise anstrengend wie bisher, jedoch mit SwissAir über Zürich deutlich angenehmer. Ein Koffer war zwar auch weg, wurde aber schnell wieder beschafft.

 

Angekommen in Mpanda stand nun die Aufgabe in engem Zeitfenster die Ölmühle zu errichten.

Nach der ersten Begutachtung des Containerinhaltes wurde am nächsten Tag mit dem Aufbau begonnen: Aufmaß erstellt und begonnen den Stahlbau zu errichten. Die einheimischen Kollegen haben unter Anleitung fleißig mitgeholfen, kamen jedoch mit unserer Arbeitswut - 16 Stunden am Tag - nicht unbedingt mit. Egal. So haben wir die Tätigkeiten derart verlagert, dass die Arbeiten, die wir allein durchführen konnten, abends verrichtet haben.

 

Parallel dazu haben wir das Notstromaggregat aufgebaut und es wurde ein neues Gebäude darum errichtet.

 

Zurück zur Mühle. Genau genommen wird die Saat mechanisch durch hohen Druck in einer Schneckenpresse zerquetscht, so dass Öl vom Rest abgetrennt wird. Das Öl muss dann nachgehend aufbereitet (filtriert) werden. Stapler und Kran gab es nicht, so dass die 1,5 to schwere Presse mittels Kettenzug angehoben und im Stahlbau integriert wurde. So wuchs Stück für Stück die „Presserei“. Elektrische Anschlüsse, Luftabsaugung, Licht, Sicherheitstechnik etc. wurde installiert. Der Saattransport erfolgte mit Hubwagen (Saat lagerte in Säcken) und der Hub auf die oberste Ebene wurde mit mechanischen Hochhubwagen bewältigt.

 

Nach 12 Tagen konnten wir den ersten „loop check“ durchführen …

Inbetriebnahme der Ölmühle

 

Die Inbetriebnahme mit Jatrophasaat verlief ohne Komplikationen und wurde als Meilenstein gefeiert.

 

Das abgepresste Öl wurde in einer Wanne unter der Presse aufgefangen und zur Ölfiltration in eine gebrauchte Rahmenfilterpresse mit neuen Filtertüchern gepumpt, gefolgt von sehr feinen „Polizeifiltern“, fertig ist ein biogener und nachwachsender Kraftstoff. Das klare Öl mit besseren Eigenschaften als Rapsöl für den Einsatz als Kraftstoff kann ohne Umrüstung (Vorheizung) in Dieselmotoren betrieben werden. Da wir ca. 10% Diesel zur Reduktion der Viskosität zugemischt haben, konnten wir 90% des fossilen Diesels ersetzen. Neben dem umweltfreundlichen Einsatz des biogenen Kraftstoffs konnten auch monetäre Ressourcen geschont werden, denn der fossile Diesel wird zu Weltmarktpreisen angeboten, der tansanische Durchschnittsverdienst liegt jedoch bei ca. 35 €/Monat.

 

Deutlich zeitintensiver, aber umso wichtiger war die Einweisung der einheimischen Kollegen in „troubleshooting“ und Wartung. So haben wir die Pressen geöffnet (dies ist nach einem unplanmäßigem Stillstand unbedingt erforderlich) und alle Teile im Detail durchgesprochen.

 

Zur erfolgreichen Inbetriebnahme und feierlichen Übergabe gab es dann die „guten Würstchen aus dem Glas“ (Containerreserve aus Deutschland) und andere leckere Sachen.

 

Mit dem Rückreisetermin kam auch die Regenzeit und damit einige sehr heftige Regenfälle. Die Überlandhauptstraßen waren nicht geschottert oder asphaltiert, so dass wir mit entsprechender Ausrüstung auf die 300 km lange Reise zum Inlands-Flughafen nach Tabora aufgebrochen sind. Wir hatten viel Glück, da einige Flussbetten zu durchfahren waren und wir es rechtzeitig zurück nach Dar Es Salaam geschafft haben, bevor wir dann die Heimreise antraten.

 

Doch das übliche Motto „was lange währt, wird endlich gut“ sollte sich hier leider nicht bewahrheiten ...

Was Aus der Ölmühle in Mpanda geworden ist

 

Ursprüngliches Ziel war es, das Jatropha-Projekt in Tansania weiterzuentwickeln. Die Erfahrungen zeigten jedoch, dass die Pflanze die erhofften Erntemengen nicht aufbringen konnte. Die Bauern konzentrierten sich daher auf lukrativere Pflanzen, wie Cassava (Maniok), Mais, Erdnüsse oder Zuckerrohr.

 

Schweren Herzens wurde dann das Projekt einige Jahre später wieder aufgegeben. Ein großer Teil der Maschinen und Werkzeuge konnte zu angemessenen Preisen vor Ort verkauft werden.

 

Mein abschließendes Fazit:

Es ist möglich in einem Entwicklungsland nachhaltig biogene Kraftstoffe aus Jatropha herzustellen. Ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist jedoch die dezentrale Herstellung und Verwendung vor Ort. Oft werden die Randbedingungen (Infrastruktur, Mentalität) unterschätzt, so dass eine gehörige Portion Pioniergeist dazugehörte, dieses Projekt umzusetzen. Das Tansania-Projekt war von Anfang an nicht auf Rendite ausgerichtet, vielmehr ging es darum die Welt ein Stück besser zu gestalten. Das haben wir erreicht!